Angst radikalisiert Pandemie-Leadership
Dabei: Führung in der Krise prägt Beziehungen auf Jahre
Es gibt keinen eigenen Pandemie-Leadership-Stil, aber Führung wird im Zeitalter von Home Offices und Hybrid-Meetings extremer, radikaler gelebt als bisher. Ausschlaggeben dafür sind die Ängste der Führungskräfte selbst, die – je nach Persönlichkeit – einerseits für ein Zuviel an Kontrolle (Mikromanagement aus Angst, Fehler zu machen) oder andererseits ein Zuviel an Spielraum für die Belegschaften (Laissez Faire aus Angst, MitarbeiterInnen sonst noch mehr zu frustrieren) sorgen. Das sagen jedenfalls zwei renommierte Leadership-Forscherinnen der University of Miami in einem bemerkenswerten Artikel, der gerade im Journal of Leadership & Organizational Studies erschienen ist.
Hands on oder Hands off – beide Prinzipien der Führung seien nötig. Allerdings müsse noch viel exakter definiert werden, wo eine Überdosis da wie dort ins Negative kippt und die ursprünglichen Intentionen der Führungskraft konterkariert.
Eins sei jedenfalls klar: wie Vorgesetzte jetzt in der Krise agieren, bleibt MitarbeiterInnen ewig in Erinnerung und prägt daher langfristig die Qualität der Beziehungen.
Dasborough/Scandura, „Leading Through the Crisis: “Hands Off” or “Hands On”?, In: Journalist of Leadership & Organizational Studies, 1 – 5, 2021
Aus der Praxis:
Als Executive Coach war und ist es meine Aufgabe, in nahezu jeder Session Ängste, Sorgen und Befürchtungen meiner KlientInnen aufzugreifen, zu besprechen, Möglichkeiten der Erleichterung aufzeigen, Lösungsvarianten vorschlagen und last but not least Mut machen, neue Wege zu gehen. Und das ungeachtet dessen, ob sie/er aus der Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik kommt. Mit wem sonst als mit dem eigenen Coach könnte oder sollte eine Führungskraft gerade in der Pandemie risikolos über eigene Befindlichkeiten sprechen?
Insofern fand ich den Beitrag der beiden amerikanischen Forscherinnen besonders interessant und bestätige deren Ableitung zu 100%: Angst wählt sich unterschiedliche Pfade, um mehr oder weniger verdeckt an die Oberfläche des beruflichen Alltags zu gelangen. Vor allem: Niemand von uns ist davor gefeit. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen zwei konkrete Empfehlungen geben: 1. Machen Sie sich bitte bewusst, inwieweit Ihre höchstpersönlichen Paniken Ihr Führungsverhalten beeinflussen. 2. Schauen Sie sich selbstkritisch an, ob Sie in den 18 Monaten seit dem ersten Lockdown einen wirklich guten, funktionierenden Leadership-Mix gefunden haben.