ImpfgegnerInnen sind erreichbar
ForscherInnen: Zielgruppen und Videos wirkungsvollste Hebel
Was tun, um angesichts der 4. Welle der Pandemie ImpfgegnerInnen zu überzeugen? Ein Artikel sowie eine neue Studie aus Deutschland bzw. den USA verweisen sehr deutlich auf zwei konkrete Erkenntnisse:
- Zielgruppenspezifische Ansprache lohnt sich. Sogar Menschen, die aus ideologischen Gründen von Regierungen festgelegte Covid-19-Maßnahmen nicht mittragen wollen, ändern ihre Meinung, wenn sie dezidiert als Eltern angesprochen werden. Vor allem Väter veränderten ihre Haltung zu Impfung, Masken und Mindestabstand, wenn ihnen die Auswirkungen einer allfälligen Covid-19-Erkrankung auf ihre Kinder klargemacht wurde.
Die WissenschaftlerInnen empfehlen daher, in der Kommunikation zur Pandemie viel stärker als bisher Menschen in ihren Beziehungsrollen – als Eltern, als Partner, als MitarbeiterIn, als LehrerIn, als NachbarIn – anzusprechen. Covid-19-Argumentation wirke in diesem Kontext teilweise stärker als vorhandene parteipolitisch getriggerte Widerstände.
- Storytelling in Videoformaten punkten gegenüber reinen Zahlenfriedhöfen und Wissenschaftstexten. Besonders überzeugend seien vormalige Covid-19-SkeptikerInnen, die sich nun doch impfen ließen und die Geschichte ihrer Haltungsänderung erzählen. Dargestellt in kurzen Videos sind diese Geschichten für jene, die mit herkömmlicher Regierungskommunikation nicht erreicht werden, am glaubwürdigsten.
Zeng, “A relational identity-based solution to Group Polarization – Can Priming Parental Identity Reduce the Partisan Gap in Attitudes Toward the COVID-19 Pandemic”, in “Science Communication”, August 16, 2021.
Dan/Dixon, “Fighting the Infodemic on Two Fronts: Reducing False Beliefs without increasing Polarization”, in “Science Communication”, June 2, 2021.
Aus der Praxis:
Es ist ein uralte Kommunikationsweisheit: Nicht Gießkannenprinzip, sondern differenzierte Ansprache bringt Erfolg. Über die Rolle als Eltern und/oder Ex-ImpfgegnerInnen als Testimonials zu arbeiten, finde ich großartig. Eine andere Möglichkeit, die in dieselbe „Zielgruppen-Kerbe“ schlägt: Erst vor kurzem hat der österreichische Gesundheitsminister Mückstein in einem Video in türkisch, rumänisch und BKS aufgerufen zur Impfung zu gehen. Eineinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie war das angesichts eines 17%-igen Bevölkerungsanteils von Nicht-ÖsterreicherInnen zwar spät, aber zumindest ein Schritt in die von den ForscherInnen empfohlene Richtung. Zielgruppen-Kommunikation heißt, der/dem anderen einen Schritt entgegenzugehen und es ihr/ihm leichter zu machen, Botschaften zu hören, zu verstehen und damit zu arbeiten. Das erfordert Empathie, strukturiertes Vorgehen und gutes Training. Aber mittelfristig werden wir nicht anders reüssieren.