Ist „Fake knowledge“ out?
Hohes Vertrauen in deklarierte Unsicherheit
Werden Sie um Ihre Meinung zu kommenden Entwicklungen gefragt, dann haben Sie vier Möglichkeiten: a) Sie sagen: „Keine Ahnung.“, b) Sie geben eine einfache Schätzung ab, c) Sie legen sich apodiktisch mit einer fixen Prognose fest oder d) Sie deklarieren Ihre Unsicherheit glasklar, indem Sie Ihre Schätzung zusätzlich mit Wahrscheinlichkeiten versehen. Gemäß einer neuen amerikanischen Studie genießt dabei letzteres mit Sätzen wie „Ich denke, das Wetter wird morgen gut, zumindest zu 80%“, am meisten Vertrauen. Ungeachtet dessen, wie nah oder entfernt wir mit unserer eigenen Einschätzung der Ereignisse waren: wir folgen derart klar deklarierten Unsicherheiten am liebsten und am besten. „Fake knowledge“, also vorgetäuschtes Wissen, ist demnach zumindest in gewissen Situationen out.
Gaertig/Simmons, „Are people more or less likely to follow advice that is accompanied by a confidence interval?“, in: Journal of Experimental Psychology – General, 2023, Vol. 152, No. 7, 2008–2025.
Aus der Praxis:
Eine Frohbotschaft für alle seriösen ExpertInnen und BeraterInnen! Wir müssen also wirklich nicht ständig so tun, als wüßten wir alles und könnten jede am Horizont herandräuende Entwicklung exakt einschätzen – im Gegenteil, wenn wir das Lesen des Kaffeesuds sogar deklarieren und mit konkreten Wahrscheinlichkeiten versehen, steigern wir sogar die Zahl unserer Follower (und das auch ganz ohne Social Media). Warum das so ist? Vielleicht, weil immer mehr Menschen die Nase voll haben von Schaumschlägern, die kaschieren wollen, dass sie keine Ahnung haben. Vielleicht, weil Zahlen, auch wenn es sie nur in Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeiten verwendet werden, grundsätzlich eine hohe Glaubwürdigkeit genießen. Oder vielleicht, weil eine derart relativierende Kommunikation differenziert, reflektiert und damit sympathisch ist. Zumindest glaube ich das zu 90%.😉😉😉