„Only bad news are good news“ = falsch
Aufmerksamkeitseffekt von Infos durch Erwartungshaltung und Kontext bestimmt
Je gravierender Informationen vom Erwarteten und vom Üblichen abweichen, desto höher ist die Aufmerksamkeit, die sie erzielen. Ob diese außergewöhnlichen Informationen aber negativ oder positiv sind, ist für ihre Wirksamkeit irrelevant. Das ergab eine soeben veröffentlichte US-Studie der renommierten UCLA in Kooperation mit der University of Michigan. Das von vielen strapazierte Dogma: „Only bad news are good news“ stimmt also so nicht.
Dazu kommt: Erwartungen und damit das, was als „üblich“ angesehen wird, ändern sich ständig – ob also gerade positive oder negative Informationen auffallen und erfolgreich sind, hängt vom Kontext ab. Die beiden Autoren konnten zudem mithilfe mehrerer Simulationen und dank Auswertungen von Wirtschaftsdaten, Medien und Umfragen eine mathematische Formel zur Vorhersage solcher Dynamiken und Korrelationen entwickeln, wobei allgemein gilt: In einem optimistischen Umfeld geraten Negativ-Informationen leichter in die Schlagzeilen, umgekehrt fallen in wirtschaftlich schlechten Zeiten oder im Krieg positive Nachrichten viel mehr ins Gewicht. Ist die Stimmung hingegen überdurchschnittlich positiv, wirken negative wie positive Meldungen gleich stark – die negativen weil sie so enttäuschen, die positiven, weil sie noch mehr motivieren.
A Model of Attentiveness to Outlying News. Lamberson/Soroka. Journal Of Communication 68 (2018), 942 – 964.
Aus der Praxis:
Es gibt kaum ein Medientraining, in dem nicht subtiles Journalistenbashing betrieben wird. Es wäre sowieso alles sinnlos, diese Leute wären nun mal nicht an positiven Entwicklungen in Organisationen interessiert, denn „only bad news are good news“. Es ist dann meine Aufgabe klarzumachen, dass das eben so nicht stimmt und positive Nachrichten genauso Interesse wecken, solange sie relevant sind. Und relevant heißt: Abweichen von der Norm, weil besonders viele Menschen betroffen sind, weil das Ergebnis so nicht erwartet war, weil die neue Entwicklung einzigartig ist, weil es ungeahnte Konsequenzen gibt etc.
Ja, wir leben in einer Zeit, in der es den meisten von uns noch immer relativ gut geht, wodurch es positive Nachrichten gemäß der Studie tendenziell schwerer haben. Ja, natürlich gibt es außerdem voreingenommene Journalistinnen, Geschäftspartner oder MitarbeiterInnen und ja, natürlich neigen viele Leute im Reflex dazu, bei Negativ-News besser hinzuhören. Aber ganz ehrlich: genauso oft sehe ich in meiner Tätigkeit, wie sogenannte positive Informationen von Firmen oder Parteien einfach immer wieder zu unverständlich, zu unkritisch, zu vorhersehbar oder zu irrelevant sind.
Ein Klassiker: Sie sprechen von x mehr Mitgliedern oder Umsatz, kommunizieren aber nicht von selbst dazu, dass dies das beste, zweitbeste oder sonstwie – vielleicht auch negativ – herausragende Ergebnis der letzten 5, 10 Jahre ist. Um die Bedeutung einer Information erfassen zu können, müssen Sie als Absender proaktiv bewerten und einordnen und die Abweichung vom Erwarteten und Üblichen kommunizieren.
Gute Nachrichten und positive Themen haben jedenfalls ihre Berechtigung und Chance. Es liegt an uns, sie entsprechend zu verkaufen.