Politische Präferenz beeinflusst Personalentscheidungen
Bisher als Diskriminierungsfaktor kaum erkannt
Ob ein/e KandidatIn dieselbe politische Präferenz hat wie die/der sie/ihn beurteilende PersonalmanagerIn, kann über Jobzu- oder absage entscheiden. Weit mehr als bisher angenommen und deutlich stärker als die bereits als inkorrekt geahndeten Beurteilungsfaktoren wie Hautfarbe, Geschlecht oder Religion beeinflußt nämlich die Ähnlichkeit der politischen Meinung zwischen Interviewer und Interviewten, ob in einem Bewerbungsgespräch Sympathie oder Antipathie oder gar Verachtung und Hass entstehen. Individuelle Qualifikationsmerkmale wie Ausbildung, Erfahrung, Belastbarkeit oder Teamfähigkeit treten demgegenüber sogar ins Hintertreffen – so stark emotionalisiert das Thema Politik. Wirkung und Implikationen dieser Zusammenhänge werden in einer neuen Studie aus den USA im sogenannten PAM (Political Affiliation Model) beschrieben.
Vor allem im negativen Fall – der/die BewerberIn teilt anscheinend oder tatsächlich nicht die politische Meinung der/s PersonalmanagersIn – erfolgt eine rasche Stereotypisierung des KandidatIn (z.B. Konservative wären nur am Geld und der eigenen Karriere interessiert). So ist es für Vorgesetzte, HR-Verantwortliche oder Mitglieder von Hearings-Kommissionen emotional einfacher, sich über vorhandene und überprüfbare Kompetenzen hinwegzusetzen.
Die Autoren weisen daraufhin, dass gerade zu Zeiten einer ständigen Radikalisierung der politischen Öffentlichkeiten in den USA, aber auch in Europa, derartige Diskriminierung scharf beobachtet und letztlich in Schranken gehalten werden muss. In Washington DC und im Bundesstaat Mississippi ist es bereits explizit verboten, die politische Präferenz von BewerberInnen für Personal-Entscheidungen bei Bewerbungen zu berücksichtigen.
„The Role of Political Affiliation in Employment Decision: A Model and Research Agenda“, Roth/Goldberg/Thatcher Journal of Applied Psychology, 2017, Vol. 102, Nr. 9, 1286 – 1304.
Aus der Praxis:
Europa kennt in der politischen Landschaft ein Mehrparteiensystem und weist insofern traditionell weniger Polarisierung in „Für mich oder gegen mich“ auf als der klassische Zweiparteien-Kontext in den USA. Allerdings gibt es auch hierzulande sich verschärfende gesellschaftspolitische Zuspitzungen. Dass der eine oder andere potentielle Vorgesetzte seine/ihre Personalentscheidung unbewußt auch nach der vermuteten oder tatsächlichen politischen Präferenz einer/s KandidatIn trifft, halte ich für wahrscheinlich. Umso mehr in politiknahen Organisationen, wo die Frage: Ist er/sie parteipolitisch loyal? höher gestellt wird als die Frage: Kann er/sie überhaupt den Job?
Die häufigste Sorge, der ich bei parteilosen BewerberInnen in ihrer Vorbereitung auf derartige Hearings begegne, ist daher die, in welcher Form sie mit dieser hidden agenda umgehen sollen. Nun, es gibt verschiedene Varianten: häufig ist es am besten, die BewerberInnen adressieren das Thema gleich direkt und fragen, wie wichtig eindeutige Parteipräferenz für die Jury ist. Egal was hier als Antwort kommt: jede/r KandidatIn kann sich jedenfalls so ein besseres Bild machen, ob er/sie unter diesen Gesichtspunkten den ausgeschriebenen Job tatsächlich antreten will. Oder die BewerberInnen präsentieren ihre politische Haltungen indirekt anhand ihrer jeweiligen Zukunftskonzepte für die Organisation. Stakeholder hören, was sie hören wollen und sollen, und können sich so ihre Meinung machen.