Weniger ist mehr – auch für ExpertInnen
Zuviel nachträgliches Herumdoktern an Papers und Artikeln schadet mehr, als es nützt
Es ist paradox: Ziffern, Graphiken, Zitate, Fußnoten, Zusatztexte, die ExpertInnen gern nachträglich zum Aufbessern ihrer Papers oder Fachbeiträge in ihre Arbeit einfügen, machen das Gesamtergebnis meist schlechter, nicht besser. Das aus zwei Gründen: 1. weil derart ergänzende Informationen oft von niedrigerer Qualität sind als der Originalbeitrag und 2. Weil damit LeserInnen, die ihr Urteil auf Basis der durchschnittlichen Güte aller Fakten und Daten fällen, automatisch schlechter bewerten.
Amerikanische Forscher rufen daher in der neuesten Ausgabe des Journal of Management massiv zur Vereinfachung der Sprache gerade für ExpertInnen auf („call for simplicity“).
In den letzten 25 Jahren seien Papers um 60% länger geworden, gebe es um 60% mehr Fußnoten und Kontrollvariablen seien gar um 300% gestiegen.
Übrigens: Albert Einstein war auch diesbezüglich ein Vorbild. Seine bis heute die Welt beeinflussende Arbeit über die Relativitätstheorie hatte nur 24 Seiten.
Connelly/Ketchen,jr/Zhou, „The Presenter´s Paradox: More is not Always Better“, in: Journal of Management, 1-10, First published online February 27, 2023
Aus der Praxis:
Weniger ist mehr! Als Coach weiß ich, dass es Mut erfordert der Versuchung nach nachträglichen Ergänzungen nicht vollends nachzukommen.
Es erfordert Mut, die gutgemeinten Tipps und Empfehlungen von KollegInnen, Vorgesetzten oder Reviewers nicht kritiklos zu übernehmen, sondern zunächst zu prüfen, ob sie wirklich zu einer Verbesserung des eigenen Beitrags führen. Und selbst wenn das der Fall sein sollte, dann noch einmal den Gesamtbeitrag nachzujustieren, damit die Hauptaussage der Arbeit nicht verwässert oder zur Unkenntlichkeit „zugemüllt“ wird. Und es erfordert Mut, irgendwann einmal mit dem Integrieren von diesem und jenem Detail, das einem selbst noch nachträglich in den Sinn kommt, aufzuhören. Und es gut sein lassen.