Wer als ChefIn beliebt sein will, trifft nicht immer die richtige Entscheidung
Große Unterschiede zwischen offener und verleugneter Verantwortung
Führungskräfte, die beliebt sein wollen, treffen Entscheidungen nach anderen Kriterien als jene, denen Sympathiewerte unter MitarbeiterInnen egal sind: ist ersteren vor allem wichtig, dass alle mit der jeweiligen Entscheidung gut leben können, schauen zweitere primär darauf, dadurch die Leistungsfähigkeit des Teams zu steigern.
Ob Management-Entscheidungen so oder so zustande kommen, hängt damit zusammen, wie konkret man dafür gegenüber der Mannschaft geradestehen muss. 5 Experimente, die an den Universitäten Michigan und Florida unlängst dazu durchgeführt worden waren, bewiesen übereinstimmend: Führungskräfte mit Beliebheitsanspruch treffen dann performance-orientierte Entscheidungen wenn sie sich auf andere als die eigentlichen Urheber dieser Entscheidung ausreden können. „Die anderen sind schuld“, sichert zumindest vordergründig das Prestige im Team als „nice boss“. Würde hingegen die Verantwortung für eine unpopuläre Entscheidung unausweichlich haftenbleiben, priorisieren diese Führungskräfte manchmal wider besseren Wissens eine den MitarbeiterInnen genehme Entscheidung und verdrängen rationale Überlegungen.
Die ForscherInnen weisen darauf hin, dass Führungskräfte, die beliebt sein wollen, sich also ähnlich verhalten wie PolitikerInnen: Nicht die Qualität der Arbeit steht im Fokus der Entscheidung, sondern die bessere oder schlechtere Chance, die eigene Beliebtheit zu steigern.
To lead or to be liked: When prestige-oriented leaders prioritize popularity over performance. Case/Bae/Maner, Journal of Personality and Social Psychology, 2018, 115(4), 657-676.
Aus der Praxis:
Jede Führungskraft weiß, dass er/sie ab und zu auch unpopuläre Entscheidungen treffen muss. Dann zB. wenn liebgewordene Gewohnheiten, die heute nicht mehr vertretbar sind, aufgeben werden sollten. Denn ginge es nach der Mehrheit der WählerInnen, den FunktionärskollegInnen oder MitarbeiterInnen, dann würde wohl fast alles beim alten bleiben.
Aus meiner Beobachtung in der Arbeit mit Kunden aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft sind PolitikerInnen im Hinausschieben von Entscheidungen oder Abschieben von Verantwortung erfolgreicher – dort, wo Leistung nicht klassisch anhand von Zahlen definiert und evaluiert wird, fällt es viel später (und manchmal auch überhaupt nicht) auf, wenn Entscheidungen in erster Linie dem Prinzip der Beliebtheitserhaltung folgen. In der Wirtschaft sieht man häufig Führungskräfte der 2. Ebene, die sich mit ihren MitarbeiterInnen solidarisieren und weniger attraktive Entscheidungen der Geschäftsleitung allein in die Schuhe schieben.
Ich orte zwei Gefahrenmomente, die Sie als EntscheidungsträgerIn in ein Dilemma bringen könnten: 1. Wenn Sie zur sehr FreundIn und zu wenig Vorgesetzte/r sind und 2. Wenn Sie Veränderungen nicht motivierend kommunizieren können. Ersteres ist ein klassischer Fall für Coaching, zweiteres für praxisnahes Kommunikationstraining.
Als ChefIn beliebt sein zu wollen, ist natürlich ok und steht nicht grundsätzlich im Widerspruch, mehr Leistung zu verlangen oder neue Routinen einzuführen. Aber: auf nachhaltige Maßnahmen zu verzichten, um kurzfristig Everybody´s Darling zu bleiben, kann sich rächen. Bitte behalten Sie das im Auge.