Zeitfüllen statt Pause zulassen
Schul-Effekt für uns Erwachsene
Wer Informationen nicht gleich parat hat, tendiert eher dazu, die Lücke mit Reden oder Lauten zu kaschieren als um eine kleine Pause zu ersuchen oder eine solche anzukündigen. Zumindest im deutschsprachigen Raum. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die Ende August bei der Interspeech2017 in Stockholm von der Uni Bielefeld präsentiert wurde.
Testsituation war die Gegenüberstellung eines Reisebüro-Mitarbeiters mit einem Fluggast, der sich nach unterschiedlichen Flugrouten und dafür verfügbaren Fluglinien erkundigen sollte. Es nahmen 10 Testpersonen als Reisebüro-MitarbeiterInnen teil, die Telefon-Gespräche mit sehr unterschiedlichen Anforderungen und Lösungen zu führen hatten. Insgesamt führte jede Testperson 10 Telefonate, wobei es sich tatsächlich aber immer um denselben Fluggast handelte. Alle Beteiligten waren German native speakers.
Die Studie wollte herausfinden, in welcher Form die unumgängliche Wartezeit zwischen der Fragestellung durch den Fluggast bis zur Kommunikation der Auskunft an ihn/sie – zwischen 4 und 50 Sekunden, die meisten Fälle unter 20 Sekunden – „genutzt“ wird. Am häufigsten wird die Zeit dabei mit dem Wiederholen der Fragestellung (21%), mit Füll-Lauten (19%) und dem Ansprechen, was jetzt gerade passiert (10,4%) genutzt. Nur 6,3% wiesen hingegen direkt darauf, dass jetzt eine kleine Pause entsteht, in der bitte gewartet werden muss.
„Beyond On-Hold Messages: Conversational Time-Buying in Task-Oriented Dialogue“, Gabino/Zarrieß/Schlangen, In: Proceeding of SIGdial 2017, 2017.
Aus der Praxis:
Absender glauben besonders oft, Pausen würden ihnen schaden und vermeiden sie daher. Denn durch Pausen würden sie ihre Unwissenheit dokumentieren und außerdem dem Empfänger Unsicherheit vermitteln. Ich nenne das den „Schul-Effekt“, als viele von uns versucht haben, sich durch mündliche Prüfungen mit unaufhörlichem Reden rund um das Thema durchzuschwindeln.
Dabei sind kurze Pausen grundsätzlich etwas besonders Wichtiges für das Verarbeiten von Information. Negativ kann die Pause aber tatsächlich wirken, wenn sie länger als für besagten Verarbeitungsprozess nötig andauert – hier ist ein zwischendurch erfolgendes „Beziehungherstellen“ zwischen Absender und Empfänger wesentlich, um sie/ihn nicht zu verlieren. Oder der Empfänger kündigt die Pause explizit an, damit sich der Empfänger emotional darauf einstellen kann.
Beim klassischen Telefonat ist die zumutbare Pause, die zwischen Anfrage und Antwort eintreten darf, aber sicherlich kürzer zu halten. Denn wir können einander ja nicht sehen und uns dadurch vergewissern, was gerade passiert.